In vier 4-CD-Sets hat die Universal jeweils Kollektionen der „großen Schlager“ der 50er, 60er, 70er und 80er Jahre zusammengestellt. Für einen erschwinglichen Preis erhält der Schlagerfreund pro Set 80 imposante Schlagerklassiker geboten, von denen 20 zu den „Raritäten“ zählen. Gerade diese Raritäten-CDs wurden von vielen Fans mit Begeisterung aufgenommen. Die Klangqualität der Lieder ist sehr gut. Bemerkenswert: Von wenigen (irrtümlichen) Ausnahmen abgesehen, befinden sich wirklich nur Originalaufnahmen auf den CDs und keine minderwertigen „Neuaufnahmen“. Und die Booklets informieren über alle Komponisten und Autoren und auch über das Erschinungsjahr. Wer sich alle vier CD-Sets ins Regel stellt, verfügt über 320 Schlagerklassiker aus unterschiedlichen Epochen. Zu den CDs im Einzelnen:
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Tipitipitipso – Die großen Schlager der 50er Jahre
Die großen Schlagerstars der Nachkriegsjahre waren sicher Peter Alexander, Peter Kraus, und Freddy Quinn, die auf „Tipitipitipso“ allesamt gleich mehrfach vertreten sind. Auch wenn der Rock’n’Roll musikalisch sehr in den Vordergrund trat, konnte sich der Schlager gegen diesen Musikstil behaupten und vereinnahmte ihn in gemäßigter Form sogar. Neben Peter Kraus taten sich hier Ted Herold („Hula Rock“), Bruce Low („Das alte Haus von Rocky Docky“, deutsche Version von „This Ole House“) und sogar Inge Brück („Peter, komm heut Abend zum Hafen“, deutsche Version von „Green Door“) hervor.
Im Zeitalter von Andrea Berg ist die Erinnerung daran, dass es mal eine Melitta Berg gab, die 1959 mit „Nur du du du allein“ sogar einen Top-10-Hit hatte, spannend. Großartig ist, dass gleich mehrere Schlagerstars vertreten sind, die bis heute populär sind: Roberto Blanco veröffentlichte 1959 bei Philips einen Titel namens „Kleines Schiff“, und hinter Rosemarie verbirgt sich niemand anders als Mary Roos, deren „Little Teenager Song“ auf der Compilation vertreten ist. Gleich zwei Titel der „kleinen Brigitte“ fanden den Weg auf die Kollektion – Lieder wie „Lieber Papi, mach mal Sonntag“ und „Denk an Mutti, lieber Papi, wenn Du Auto fährst“ waren typisch für den Zeitgeist, in dem auch das Kind bzw. der spätere Teenager Conny Froboess erfolgreich war – auch deren Schlager wie „Pack die Badehose ein“ und „Diana“ dürfen auf „Tipitipso“ nicht fehlen.
Ganz in Weiß – Die großen Schlager der 60er Jahre
In den 1960er Jahren begann die Karriere von Udo Jürgens, der mit seinem ersten Musikmarkt-Chartserfolg „Jenny“ vertreten ist. Die Beat-Musik hatte auch Deutschland in diesen Jahren fest im Griff – umso erstaunlicher ist der gigantische Erfolg, mit dem insbesondere Roy Black gegen die Liverpooler Band mit seinen so genannten „Schnulzen“ mehr als Stand halten konnte. Auch die Beatmusik konnte den Schlager nicht vom Markt verdrängen. – Roy Black wurde von Hans Bertram entdeckt. Der hat auch einen weiteren jungen Mann entdeckt, dem er den Namen Jack White gab, der ebenfalls Karriere machte – allerdings weniger als Sänger. Dennoch ist dessen seltenes Duett mit Brigitt Petry (auf dem Cover fälschlich Brigitte genannt) „I Love You“, die deutsche Version von „Something Stupid“ auf dem Sampler enthalten. Überhaupt gibt es viele weitere Covertitel zu hören – u. a. „Die Sonne scheint nicht mehr ohne Dich“ von Heidi Franke (Cover von „The Sun Ain’t Gonna Shine Any More“) und „Monday, Monday – was bringst Du mir?“ (Cover von „Monday Monday“ der Mamas & Papas).
Auch in den 1960er Jahren starteten Karrieren bei Universal-Firmen, die später erst richtig groß wurden. Auch hier gibt es kuriose Aufnahmen zu hören wie etwa „Ciao Baby“ von Gunter Gabriel oder Berti Glockners Single „Wenn’s in Deinen Ohren klingelt“ – die wurde später als Bianca bekannt. Witzig ist auch Michael Holms seltener Song „Heimweh“, den er vor seinem Wechsel zur Ariola bei Philips aufnahm.
Das Phänomen singender Schauspieler und Sportler war damals sehr weit verbreitet. Neben dem sehr bekannten Franz-Beckenbauer-Klassiker „Gute Freunde kann niemand trennen“ buddelte das Universal-Team aber auch Perlen wie „Jeder träumt seine eigenen Träume“ von Ingrid van Bergen, „So wie ein Magnet“ und „Oh, I Love You“ von Elke Sommer aus.
Ein weiterer Trend der 1960er Jahre war der Hang zu skandinavischen Sängerinnen. Neben Siw Malmkvist, Gitte und Anna-Lena kommen auch Erinnerungen an Lill Lindfors auf, die mit „Es könnte Liebe sein“ 1966 bei den deutschen Schlagerfestspielen immerhin den 5. Platz erreichen konnte. Die Schwedin Lil Babs fragte „Wo finde ich einen Mann?“ – damals gab es eben noch kein Internet…
Michaela – Die großen Schlager der 70er Jahre
In den 1970er Jahren war es insbesondere die Disco-Musik, die weltweit für Furore sorgte. Einmal mehr passte der Schlager sich an und überzeugte erneut mit Eigenständigkeit, so dass auch in den 1970er Jahren, der Hochzeit der ZDF-Hitparade, der Schlager große Erfolge einfahren konnte. Der Grand Prix Eurovision war damals eine echte Institution, damals ging es wirklich noch darum, einen guten Song zu finden – genau deshalb erinnert man sich noch heute gerne an Lieder wie die deutschen ESC-Beiträge „Feuer“ (1978, Ireen Sheer) und „Junger Tag“ (1973, Gitte). Mit „Meine kleine Welt“ (1976, Waterloo & Robinson) gibt es auch einen der erfolgreichsten Beiträge Österreichs auf die Ohren. Mit Ariane gibt es eine weitere Aufnahme dieses Namens („Meine kleine Welt“) auf die Ohren. Ariane war damals Spielerfau (von Jupp Kappellmann) und soll sogar im aktuellen Sportstudio aufgetreten sein.
Bei den Raritäten werden sich Ralph-Siegel-Freunde freuen. Dessen erster Eurovisions-Beitrag überhaupt, „Meine Liebe will ich Dir geben“ von Edina Pop, ist auf dem Sampler zu finden – sieben Jahre später hat Edina es ja sogar mit „Dschinghis Khan“ zur Eurovision geschafft. Mit „Das Meer singt sein Lied von Ireen Sheer“ und „Das weiß der Himmel allein“ von Ramona sind weitere seltene Siegel-Songs auf der „Michaela“-Kollektion zu hören. Letztgenannter Song wurde auch in der ZDF-Hitparade vorgestellt. In dieser bis heute beliebten Kultshow war regelmäßig Frieda Zölle zu sehen, ihres Zeichens populär als „Hitparaden-Oma“. Nachdem Dieter Thomas Heck Zölle zum 70. Geburtstag live vor Millionen Zuschauern gratulierte, kam Hans Bertram auf die Idee, eine eigene Platte mit ihr zu produzieren – zum Verdruss des damaligen Regisseurs Truck Branss. Die seltene Aufnahme mit einem gewissen Thomas, dessen Nachname wohl nicht ermittelbar ist, ist auf dieser tollen Compilation zu finden.
Erwähnenswert ist eine ganz besondere Perle dieser Reihe, die einfach mal herausgehoben werden muss. Eine gewisse „Enny Blank“ sang damals eine deutsche Version des Lobo-Hits „Baby, I’d Love You To Want Me“. Michael Holm hatte mit „Baby, Du bist nicht alleine“ in der Hinsicht einen guten Erfolg. Der Text, den Horst-Heinz Henning schrieb, ist einfach nur köstlich und sensationell – darauf muss man echt kommen: „Berge sind anders als Täler – aber ich glaube: Das ist ein Fehler. – Riesen sind anders als Zwerge – Täler und Berge – müssen sein auf dieser Welt“. Großartig! Trotzdem hat sich Enny Blank erstaunlicherweise später in „Sarah Laux“ umbenannt.
Hello Again – Die großen Schlager der 80er Jahre
Die 1980er Jahre standen im Zeichen der New Wave bzw. der Neuen deutschen Welle. Der Schlager kriegte diesmal direkte Konkurrenz – und die ZDF Hitparade war tolerant und offen genug, diese Musikrichtung mit offenen Armen zu empfangen. Obwohl die klassischen Schlagersänger zwischenzeitlich arg ins Straucheln kamen, hat langfristig erneut der Schlager überlebt. Zurecht wurden viele NDW-Klassiker auf der Compilation verkoppelt, Perlen von Hubert KaH, Frl. Menke, ZaZa, der EAV, der Spider Murphy Gang, Purple Schulz und von Klaus Lage dürfen nicht fehlen.
Auch in den 1980er Jahren gab es eine Kontrast-Bewegung der „Schnulze“ zur NDW. Auch deren Protagonisten fehlen nicht auf „Hello Again“. Bemerkenswert ist u. a. Florian Haidts seltene Version von „Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“ aus dem Jahre 1983. Über 30 Jahre zuvor sorgte das Original für Furore, das übrigens auf „Tipitipso“ auch zu hören ist. Vielleicht gibt es ja doch mal einen Sampler des beliebten, viel zu früh verstorbenen Sängers. Ebenfalls kürzlich verstorben ist die Radiomoderatorin-Kollegin von Florian, Ulla Norden, an die mit „Urlaub“, der deutschen Version von „Hands Up“ (Ottawan) erinnert wird.
Auch der 1980er Sampler wird viele Freunde der Eurovision und auch die von Dieter Bohlen erfreuen. Bernd Clüvers seltener ESC-Beitrag aus dem Jahre 1983, „Mit 17“, komponiert von Dieter Bohlen, wurde hier ebenso verkoppelt wie der Titel von Mara, die mit der Joachim-Heider-Produktion „Sternenland“ im gleichen Jahr an der Vorentscheidung teilnahm.
Auch in den 1980er Jahren gab es deutsche Originalversionen. Kurios ist die Aufnahme von Heidi Stroh namens „Keinen Helden, keinen Hero“, das als deutsche Version von „We Don’t Need Another Hero produziert wurde. Wenig erfolgreich war leider auch Tanja Jonaks Version von „La Isla Bonita“. Obwohl Tanja sogar mit der Goldenen Stimmgabel ausgezeichnet wurde und prominente Fürsprecher wie Dieter Thomas Heck und Jean Frankfurter hatte, war ihr kein dauerhafter Erfolg beschieden. Sehr schade: Seit Jahrzehnten hat sie sich offensichtlich ins Privatleben zurückgezogen.
Anders verhält es sich mit Fux. Die sauerländische Gruppe hatte leider nur kurzfristig Erfolg, aber die „Überdosis Glück“ war in einer Zeit erfolgreich, in der deutschsprachige Musik ansonsten so gut wie gar nicht wahrgenommen wurde. Der Song wird nur selten verkoppelt – insofern werden Fans sich sicher freuen, dass er auf „Hello Again“ verkoppelt wurde.
Fazit: Klare Kaufempfehlung
Je nach Generation wird wahrscheinlich jeder ein eigenes bevorzugtes Schlager-Jahrzehnt haben. Allein wegen der tollen Raritäten-CDs, der guten Tonqualität und des absolut fairen Preises kann man alle vier CD-Boxen uneingeschränkt empfehlen. Einmal mehr hat das „Originale“-Team um Kai Lerner gute Arbeit geleistet, einmal mehr kann man nur hoffen, dass das umtriebige „Originale“-Team auch weiterhin (Schlager-)Schätze der Vergangenheit birgt. Ganz offensichtlich wird das auch honoriert: Gleich zwei der Boxen haben es tatsächlich in die Top-30 der Compilation-Charts geschafft.